Vietnamesische Medien bejubeln den neuen FDP-Chef Philipp Rösler – wegen seiner Herkunft. Eine Presseschau
© Jochen Lübke / dpa
Als Deutschland vor acht Monaten seinen ersten Bundesminister mit Migrationshintergrund Bild- Zeitung die wichtige Frage: »Kränkt es Sie, wenn man Sie Fidschi nennt, Herr Minister?«
Fidschi ist ein Schimpfwort für Vietnamesen, und Philipp Rösler ist zwar Deutscher, aber in Vietnam geboren. Er spricht kein Vietnamesisch und kennt seine leiblichen Eltern nicht; mit neun Monaten wurde er von einem Ehepaar aus Niedersachsen adoptiert. Was an ihm vietnamesisch sei? »Ein schmaleres Augenpaar, eine flachere Nase, schwarze Haare«, antwortete Rösler damals. Die Botschaft war: Ich bin außen gelb, aber innen weiß. Ich bin einer von euch. bekam, stellte ihm die
In Vietnam denken sie: Er ist einer von uns. Fieberhaft verfolgen die dortigen Medien Röslers Karriere seit seinem Eintritt ins Bundeskabinett. Beim vietnamesischen Dienst von Google News gibt es über 10.000 Einträge zu ihm. Auf YouTube läuft ein Clip unter dem Titel Vietnamese Pride, die einflussreiche, regierungsnahe Jugendzeitung Tuoi Tre himmelt ihn als »aufsteigenden Stern« an. Die vietnamesische Presse liebt Erfolgsgeschichten, und so vereinnahmt sie ihren neuen Liebling mit patriotischem Kollektivismus – denn »durch diese Wunderkinder wird Vietnam bekannt« (das Nachrichtenportal 24h.com.vn).
Was wäre wohl in Vietnam aus dem Waisenkind geworden? »Egal, welchen Intellekt, welches akademische Potenzial er mitbringen würde, ein Ministeramt würde ein Traum bleiben. Er gehörte nicht zur ›besonderen Klasse‹, deren Kinder später eine Position im vietnamesischen Ministerium bekommen können«, schreibt ein renommierter Kommentator in dem Zweimonatsmagazin Van hoa Nghe An. Vietnam ist zwar offiziell sozialistisch, aber gesellschaftlich von starkem Klassendenken geprägt: Der Parteifunktionär steht über dem Angestellten, der Mann über der Frau, der Ältere über dem Jüngeren. »In Vietnam«, schreibt der Autor weiter, »wird keiner mit 36 Minister.«
Im Online-Forum der Auslandsvietnamesen Dat Viet schaltet sich Bui Tin ein, ein ehemaliger kommunistischer Oberst, der nun im französischen Exil lebt: »Es gibt mir sehr zu denken, dass wahres Talent und Potenzial nur in einer wahren Demokratie aufblühen können.« Bui, der nach dem Vietnamkrieg in den achtziger Jahren in der Chefredaktion der Parteizeitung saß, hat sich, enttäuscht von der Entwicklung der revolutionären nordvietnamesischen Regierung zur Einparteiendiktatur, nach seiner Auswanderung als Dissident einen Namen gemacht. »In Vietnam würde Philipp Rösler Berufsverbot erhalten und von einem Gericht verurteilt werden«, schreibt ein anderer Forenteilnehmer aus Deutschland. »Als Anhänger einer liberalen Partei beteiligt er sich an der Propaganda gegen das kommunistische Regime.«
In der größten vietnamesischen Online-Community in Deutschland, Old Friends, wurde Röslers Wechsel an die FDP-Spitze sofort per Rundmail bekannt gemacht. Ein Community-Teilnehmer gratuliert ganz herzlich auf Vietnamesisch – mit der Anrede cháu Philipp, »Neffe Philipp«. So nennen ältere Herren jüngere Männer. Ein anderer allerdings wandte ein: »Es ist ein Irrtum, wenn wir Vietnamesen auf ihn stolz sind. Philipp Rösler hat nichts mit Vietnam zu tun, das einzig Vietnamesische ist sein Aussehen.«
Der viel Gelobte wird von diesen Diskussionen kaum etwas mitbekommen. Verstehen könnte er sie ohnehin nicht.
TinHamburg-------------------------------------
"Fidschi"
Hintergrund: Wo kommt das Wort eigentlich her?
"Fidschi" bezeichnet eine Inselgruppe im Südwestpazifik beziehungsweise die Einwohner dieses Inselstaates und deren Sprache. Die Bezeichnung wird aber auch als Schimpfwort für asiatisch aussehende Menschen benutzt. Der Duden führt es euphemistisch auf als "salopp abwertende" Bezeichnung von jemand, "der aus Indochina stammt, besonders Vietnamese".
Obwohl es seitens der DDR-Regierung keine Ausländerfeindlichkeit geben durfte, avancierte das Wort "Fidschi" dort zu einem Schimpfwort, nachdem die ersten Vertragsarbeiter vor allem aus Vietnam 1980 in die DDR kamen. Sie wohnten meist isoliert in Arbeiterwohnheimen, denn eine Integration in die DDR-Gesellschaft war ausdrücklich nicht erwünscht. So war der Arbeitsaufenthalt auch nur für drei bis fünf Jahre vorgesehen - doch viele blieben auch noch bis nach 1990. Dort mussten sie erleben, wie sich der aufgestaute Ausländerhass in pogromartigen Ausschreitungen eines rassistischen Mobs entluden: Im August 1992 steckte eine Gruppe Neonazis unter dem Applaus hunderter Schaulustiger ein Wohnhaus, in dem überwiegend Vietnamesen lebten, in Rostock-Lichtenhagen in Brand.
Als diskriminierendes Schimpfwort hat es bis heute eine traurige Aktualität behalten und wird auch inzwischen als diskriminierende Beleidigung asiatisch aussehender Menschen überhaupt gebraucht - vor allem vor dem Hintergrund gewalttätiger Übergriffe hat es eine erschreckende Präsenz:
Im August 1999 traten in Eggesin (Mecklenburg-Vorpommern) sieben Neonazis zwei Vietnamesen fast tot. Dabei skandierten sie den Refrain eines Liedes der rechtsextremen Band Landser "Fidschi, Fidschi, Gute Reise". Die Bundesanwaltschaft leitete damals auch die Ermittlungen ein gegen die Neonaziband, die sich auch selbst gern als "Terroristen mit E-Gitarre" bezeichnet.
Am 6. August 2008 wurde ein vietnamesischer Zigarettenhändler in Berlin-Marzahn ermordet: Ein deutscher Rassist hatte ihn zunächst festgehalten und dann die Polizei angerufen mit der Frage : "Regelt ihr das oder muss ich das selbst erledigen?" Noch bevor die Polizei eintraf, stach der Täter mit einem Messer auf den jungen Mann ein. Dieser starb wenige Stunden später an seinen Verletzungen im Krankenhaus. Der Täter hatte bereits vor diesem Mord gegen die "Fidschis" gehetzt. Trotzdem spekulierten die Nachrichtenagenturen zuerst über Revierkämpfe in der Zigaretten-Mafia. Polizei und Medien versuchten diesen rassistischen Mord als Tat eines psychisch Kranken herunterzuspielen.