Sie verdienen mehr und garantieren den Fortbestand der Linie: Jungen sind in China und Indien gefragt. Die Folge: Weibliche Föten werden öfter abgetrieben. Dadurch wird es in 20 Jahren in weiten Teilen Chinas und Indiens zwischen 10 bis 20 Prozent mehr Männer als Frauen geben, wie eine neue Studie in der kanadischen Fachzeitschrift "Canadian Medical Association Journal" besagt.
Sowohl in China als auch in Indien werden männliche Nachkommen traditionell bevorzugt. Sie werden aller Voraussicht nach mehr verdienen, sie erhalten die Familienlinie und sie sind verantwortlich für das Auskommen der Eltern im Alter. In Indien wiederum entscheiden sich viele Eltern gegen ein Mädchen, weil sie fürchten, bei der Hochzeit der Tochter eine hohe Mitgift zahlen zu müssen. Schon 2005 wurde geschätzt, dass in China die Zahl der Männer unter 20 Jahren die der Frauen um etwa 32 Millionen übersteigt.
Die Situation habe in beiden Ländern seit Jahrhunderten zur Benachteiligung von Mädchen geführt, schreibt Hesketh, oft auch zu Morden an neugeborenen Töchtern. Seit mit Ultraschall das Geschlecht des Kindes schon vor der Geburt erkannt werden kann, entscheiden sich Eltern vermehrt zur Abtreibung, wenn sie ein Mädchen erwarten.
Normalerweise kommen auf 100 Mädchen 105 Jungen
Die Auswirkung sind der Studie zur Folge messbar: Normalerweise ist das Geschlechterverhältnis bei Neugeborenen fast ausgewogen, 105 Jungen kommen auf 100 Mädchen. In verschiedenen Städten in der Provinz Henan in Nordchina und in Hainan im Süden des Landes kommen aber mehr als 130 Jungen auf 100 Mädchen. In China insgesamt lag das Verhältnis 2008 bei 119 zu 100.
Der Frauenmangel ermögliche es Frauen in China aber auch, durch Hochzeit mit einem gutsituierten Mann in der Gesellschaft aufzusteigen, heißt es in der Studie. Zurück blieben vor allem arme, schlecht ausgebildete Bauern. In China seien 94 Prozent der Nichtverheirateten zwischen 28 und 49 Jahre alt und männlich, sie haben keinen höheren Schulabschluss.
Die Ein-Kind-Politik in China verschärft die Selektion noch. Doch wird sie bereits gelockert und betrifft heute nur noch ein Drittel der chinesischen Bevölkerung. So werden Ausnahmen für Minderheiten gemacht. Auch können Eltern auf dem Lande ein zweites Kind haben, wenn das erste ein Mädchen war. Waren Paare selbst Einzelkinder, können sie meist auch zwei Kinder haben.
otr/dpa