38 000 kamen von 1975 bis 1985 in die alte Bundesrepublik / Sie sind heute meist sehr gut qualifiziert und wollen Deutschland etwas zurückgeben
BERLIN -
Der Gedanke reifte in ihm nach dem Tsunami im Jahre 2004. „Das
Epizentrum des Seebebens lag nicht weit von Malaysia. Und dort bin ich
1979 nach meiner Flucht aus Vietnam gestrandet“, sagt Tu Dung Dang, ein
ehemaliger vietnamesischer Bootsflüchtling, der heute deutscher Beamter
ist und in Berlin Bußgeldbescheide bearbeitet. „Da wurde mir klar, was
für ein Glück ich gehabt hatte, meine Flucht überlebt und in Deutschland
so gute Integrationsbedingungen gefunden zu haben.“ In ihm reifte die
Idee „Danke“ zu sagen. Heute ist es so weit.
In der Technischen Universität Berlin
veranstaltet Dang mit anderen aus Vietnam geflohenen Bootsflüchtlingen
einen „Tag des Dankes“. Politiker verschiedener Parteien werden
Grußworte sprechen. Eine Fotoausstellung und Erfahrungsberichte von
Betroffenen erinnern an die Flucht vor 35 Jahren. Schirmherrin ist
Berlins ehemalige Ausländerbeauftragte Barbara John. „Ich erlebe es zum
ersten Mal in meinem langen Leben, dass eine Zuwanderergruppe an die
Öffentlichkeit geht, um für ihre Aufnahme und für ihre Integration zu
danken“, sagt die Pensionärin.
Rund 38 000 Vietnamesen kamen zwischen 1975 und
1985 in die alte Bundesrepublik. Sie sind geflohen oder durch Adoption
und Familienzusammenführung geholt worden. Mit der Gruppe der in den
neuen Ländern lebenden ehemaligen DDR-Vertragsarbeiter aus Vietnam haben
sie bis heute wenig Berührungspunkte. Es gibt auf beiden Seiten
Vorurteile, die aus unterschiedlichen Erfahrungen mit der Regierung in
Vietnam zu tun haben.
Der wohl bekannteste Einwanderer aus Vietnam ist
Vizekanzler Philipp Rösler (FDP). Er wurde nach Kriegsende im Alter von
neun Monaten aus einem südvietnamesischen Waisenhaus von einer
deutschen Familie adoptiert. Mit seiner hohen Qualifikation ist er keine
Ausnahme. Vietnamesische Schüler legen in Deutschland
überdurchschnittlich häufig das Abitur ab und streben in akademische
Berufe.
Dang selbst war zwölf Jahre alt, als er ohne
Eltern aus Vietnam floh. Die Familie des Südvietnamesen hatte nach dem
Ende des Vietnamkrieges Probleme mit den neuen Machthabern. Fluchtgeld
konnten sie aber nur für einen Familienangehörigen aufbringen. 27 Meter
war das Boot lang, in dem 600 Menschen Platz fanden. Und Dang hatte
Glück: Bereits nach einer Woche strandeten sie am anderen Ende des
Südchinesischen Meeres auf einer Insel. „Andere Flüchtlinge waren über
Monate so zusammengepfercht. Sie wurden von Seeräubern überfallen,
beraubt und die Frauen vergewaltigt.“ Das Glück setzte sich fort, als
die Cap Anamur ihn nach Singapur brachte, von wo es mit dem Flugzeug
weiter ging nach Deutschland. In Berlin kam er in eine Pflegefamilie.
Nach einem Schuljahr wechselte er aufs Gymnasium.
„Deutschland hat mir ermöglicht, meine Kultur zu
bewahren“, sagt Dang. In den USA hätten viele Vietnamesen amerikanische
Namen annehmen müssen. „Hier haben sogar meine Pflegeeltern darauf
geachtet, dass ich die vietnamesische Sprache nicht verlerne.“ Auf dem
Tag des Dankes tritt eine Hip-Hop-Gruppe auf. „Dabei ist auch einer
meiner Söhne“, sagt der Familienvater stolz. „Wir wollen durch unsere
Arbeit Deutschland etwas von dem zurückgeben, was es für uns getan hat.“
Die Veranstaltung zum „Tag des Dankes“ findet am 03.09.2011 um 17 Uhr im Audimax der TU Berlin, Straße des 17. Juni, statt.
Gäste sind herzlich willkommen. Der Eintritt ist frei. (Von Marina Mai)