 
           Martin Hyun
Solch bekennende Worte der Solidarität hätte ich mir auch von der  Bundeskanzlerin während der Debatten über die Neuregelungen des  Hartz-IV-Regelsatzes gewünscht. Da ging es für Merkel nicht um die  Zukunft des Landes. Abwertend sprach sie sogar von einem  „Wünsch-Dir-Was-Konzert“.
Schließlich können die rund 4,7 Millionen Hartz-IV Empfänger keine  deutschen Leopard Kampfpanzer und U-Boote kaufen. Die von allen guten  Finanzgöttern verlassenen Griechen müssen dies nun mit deutschen Euros  tun. Wie steht die Bundeskanzlerin wohl im Herzen zur  Integrationspolitik, fragte ich mich, weil sie in den Verruf gekommen  ist als Symbolpolitik. Ist die Integrationspolitik für Merkel auch  alternativlos, wie die monetäre Stütze nach Griechenland. Eine Antwort  darauf werde ich wohl nie kriegen.
In der fabelhaften „Parallelwelt“ der Maria Böhmer jedenfalls gibt es  viele Alternativen. Erst kürzlich errichtete Böhmer einen nationalen  Integrationsbeirat. In der Pressemitteilung ließ sie verlauten, dass  sich der Beirat aus bis zu 32 Mitgliedern zusammensetzen soll. Dabei  gelten zehn Migrantenverbände als gesetzt. Unter „Böhmers zehn“ befinden  sich die Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände, BAGIV e.V.,  die Türkische Gemeinde in Deutschland e.V., Intercomites (italienische  Migranten), der Verband Griechischer Gemeinden in der BRD e.V., der Bund  der spanischen Elternvereine in Deutschland e.V., der Kroatische  Weltkongress in Deutschland e.V., der Zentralrat der Serben e.V., der  Club Dialog e.V. (russischsprachige Migranten), der Bundesverband  Deutsch-arabischer Vereine und das Landesnetzwerk der  Migrantenselbstorganisationen Sachsen-Anhalt.
Für die viel gelobten Musterschüler gelungener Integration, den  Vietnamesen und den Koreanern war mal wieder kein Platz. Die Gründe der  Nicht-Berücksichtigung können vielfältig sein. Es mag sein, dass für  Böhmer die Teilnahme der Koreaner an zwei bedeutungslosen  Integrationsgipfeln, in der der Nationale Integrationsplan bereits eine  runde Sache war für den Rest der Zeit in Deutschland ausreichen sollte  oder aber sie befürchtet eine immer größer werdende Kritik aus den  Reihen der sonst so lautlosen Musterbeispiele gelungener Integration.  Als Vorstandsmitglied der Deutsch-Koreanischen Gesellschaft habe ich  jedenfalls einen Brief an Maria Böhmer geschickt und bat um  Stellungnahme, warum in ihrem Integrationsbeirat kein einziger  koreanischer Verband berücksichtigt wurde. Auf eine Antwort warte ich  heute noch. Grenzenlos vielfältig scheint nur der Samsung Galaxy Tab zu  sein, so zumindest wirbt das koreanische Unternehmen mit seinem  High-Tech Produkt.
In Deutschland hat schon längst ein Prozess der Hierarchisierung von  Migrantengruppen begonnen, in „the good, the bad and the ugly“. Die  Asiaten sind als Musterbeispiele an der Tabellenspitze anzufinden, weil  die arabisch- und türkischstämmigen auf einem bedrohlichen Abstiegsplatz  stehen. Die Guten, das sind die Vietnamesen und Koreaner und die  schlechten, die Araber und Türken. Die einen sind integrationswillig,  die anderen nicht. Leider ist es keine Fußball Bundesliga Tabelle, in  der den Koreanern und Vietnamesen eine automatische Teilnahme an der  Champions League gewährt wäre. 
Manche Politiker, allen voran Maria Böhmer, machen es sich mit der  Hierarchisierung viel zu einfach. Das Leben ist bekannterweise schon  kompliziert genug. Aber mit dieser Einstellung schotten sich die  Politiker immer weiter von der realen Welt ab, dass man sich die  berechtigte Frage stellen muss, wer von uns in einer Parallelwelt lebt.  Gerade bei den Äußerungen zu den anonymisierten Bewerbungsverfahren  kommt diese Erkenntnis zum Vorschein. Viele ernannte bzw. selbst  ernannte Integrationspolitiker sprechen von Ali oder Mehmet, Murat und  Aische, Fatima und Mohammed, die keinen Job bekommen, weil Peter und  Hans, Anna und Alexander oder Christine und Klaus bevorzugt werden. Ich  selber trage zum Beispiel einen deutschen Vornamen verpackt in einer  asiatischen Silhouette. Meine Freundin Dani hat eine deutsche Bekannte  mit dem Nachnamen Ölke, die bei der Jobsuche erhebliche Schwierigkeiten  hatte, obwohl sie über keinerlei türkische Wurzeln verfügt. Mein erst  vor Kurzem geborener Enkel Julian, ein Produkt  deutsch-koreanisch-österreichischer Liebe hat zusätzlich zu seinem  deutschen Vornamen, auch einen deutschklingenden Nachnamen.
Als ich kürzlich im Ikea in Lichtenberg war, stand vor mir ein  einheimischer Deutscher, dessen Namensschild mich ein wenig verwirrte.  Johannes Ngyuen stand drauf. Komisch dachte ich mir, denn irgendwelche  vietnamesische Wurzeln konnte ich an ihm nicht entdecken. So fragte ich  ihn höflich, ob er ein Vietnamese sei. „Ach so, wegen meinem Nachnamen“,  antwortete er mir. „Ja!“ gab ich ihm zu verstehen. „Meine Frau ist  Vietnamesin und ich habe aus Liebe ihren Nachnamen angenommen“, sagte  Johannes Ngyuen. Und das in Lichtenberg, dachte ich mir, bedankte mich  für seine Auskunft und verabschiedete mich. Auf dem Nachhauseweg dachte  ich an Dschingis Khan und wie ein Geistesblitz erinnerte ich mich daran,  als der ehemalige Fussballnationaltorwart Oliver Kahn und die  Tennisspielerin Martina Hingis kurze Zeit ein Paar waren. Leider ist nie  mehr daraus geworden. Aber stellen sie sich vor, wenn der Fußball-Titan  und die slowakischstämmige Schweizerin geheiratet hätten. Aus den  beiden wäre Hingis-Kahn geworden, ein Name, der für Furore gesorgt  hätte.
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Quelle: MiGazin
 
