Die Bundesregierung zeigt sich davon aber unbeeindruckt. Traditionell entsende sie einen Vertreter zu der Verleihungszeremonie, erklärte eine Sprecherin. "Es gibt vor dem dargestellten Hintergrund in diesem Jahr keinen Grund, von dieser langjährigen Praxis abzuweichen." Dies sei der chinesischen Seite mitgeteilt worden.
Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Guido Westerwelle hätten die Vergabe an Liu begrüßt, sagte die Sprecherin. Sie hofften, "dass der Preisträger selbst den Preis entgegennehmen kann."
Auch Diplomaten anderer Länder berichteten von Versuchen Chinas, wegen der Nobelpreis-Zeremonie Druck zu machen. In einem Brief an die Botschaft seines Landes habe China Liu einen Kriminellen und die Preisverleihung eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas genannt, sagte ein Diplomat. Finnland und Island bestätigten, ähnliche Briefe erhalten zu haben.
"Der Preis zeigt die Furcht des Westens"
In Peking drohte der chinesische Vizeaußenminister offen mit einer Verschlechterung der Beziehungen. "Die Wahl, vor der einige europäische Länder und andere stehen, ist klar und einfach: Wollen sie Teil eines politischen Spiels sein, das Justizsystem Chinas herauszufordern, oder wollen sie auf verantwortliche Weise echte freundschaftliche Beziehungen mit Chinas Regierung und Volk entwickeln?", sagte Cui Tiankai. Er ist auch G20-Chefunterhändler.
Auch in einem Kommentar in der kommunistischen Parteizeitung machte die chinesische Führung Front gegen die Auszeichnung für den Bürgerrechtler Liu. Der Nobelpreis sei ein "politisches Werkzeug, um das aufstrebende China anzugreifen", hieß es. Die Auszeichnung werde ideologisch missbraucht, um Staaten an ihrer friedlichen Entwicklung zu hindern, die nicht den westlichen Standards entsprächen. "Der Preis zeigt die Furcht des Westens vor dem Aufstieg Chinas", hieß es in dem Kommentar. "China hat in vielen Bereichen große Erfolge erzielt, aber der Westen akzeptiert kein Land mit einem anderen politischen System."
Das Nobelkomitee in Oslo hatte Liu für " seinen langen und gewaltlosen Kampf für fundamentale Menschenrechte" ausgezeichnet. Der Literaturkritiker verbüßt derzeit eine elfjährige Haftstrafe wegen Staatsgefährdung und wird den Preis nicht selbst entgegennehmen können. Er ist Mitautor der "Charta 08", in der Dissidenten Reformen, Freiheiten und das Ende des Machtmonopols der Kommunistischen Partei in China forderten. Seitdem Liu im Oktober der Friedensnobelpreis zugesprochen wurde, steht auch seine Ehefrau unter Hausarrest. Zudem geht das Regime auch härter gegen weitere Dissidenten vor.
mmq/dpa/dapd